Vernetzung ist wichtig, Vernetzung ist gut - Aber wie vernetzt man richtig?

Pfeil, Patrick
Universität Leipzig, Deutschland
ppfeil@uni-leipzig.de

Aehnlich, Barbara
Friedrich--Schiller-Universität Jena
barbara.aehnlich@uni-jena.de

Das Panel hat das Ziel, verschiedene Formen der Vernetzung innerhalb der Digital Humanities zu diskutieren. Dabei soll besprochen werden, welche Netzwerke sinnvoll sind, welche Ziele Vernetzungen haben können und welcher Nutzen für die Entwicklung der Digital Humanities erzielt werden soll.

Zurzeit sind die Digital Humanities im deutschsprachigen Raum auf verschiedensten Ebenen vernetzt und es gibt unterschiedlichste Formen der Kommunikation der beteiligten Wissenschaftler_innen und Einrichtungen. Die folgende Auflistung stellt keine Gewichtung der einzelnen Ebenen dar – vielmehr sind alle Formen für sich von enormer Bedeutung für die Profilierung und Weiterentwicklung der Digital Humanities an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen; von besonderem Wert ist der Austausch zwischen den Strukturen.

An erster Stelle zu nennen sind der Dachverband für die Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) sowie die großen Infrastrukturdienstleister wie CLARIN-D oder DARIAH die anstreben, eine breite Kommunikationsbasis für alle Formen der Digital Humanities national sowie im internationalen Wettbewerb anzubieten. Dabei sollen möglichst alle Geisteswissenschaften sowie die Informationswissenschaften erreicht werden, um die verschiedenen Probleme und Fragestellungen in einem offenen und weit gefächerten Rahmen zu diskutieren und zu lösen. Darüber hinaus bieten diese Plattformen noch weitere Hilfestellungen: Möglichkeiten bei der Förderung von Projekten sowie Unterstützung bei Fragen zur Infrastruktur, zur nachhaltigen Datensicherung oder zu Lizenzierungsangelegenheiten. Auch das grundsätzliche wissenschaftliche Selbstverständnis der Digital Humanities wird diskutiert. Insbesondere in CLARIN-D haben die einschlägigen Fachwissenschaften eine eigene Plattform durch die Einrichtung von fachspezifischen Arbeitsgruppen erhalten, die ihnen Partizipation und Mitsprache an den überregionalen Entwicklungen sichert.

Zweitens existieren einzelne Verbände, die die Entwicklung der Digital Humanities in den jeweiligen Fachwissenschaften begleiten. Der Historikerverband hat einen Unterausschuss „Geschichte in der digitalen Welt“ und eine AG „Digitale Geschichtswissenschaft“ eingerichtet, die durch große Jahrestagungen hervortreten. Andere Fachverbände werden folgen. Hier findet man eine nationale und internationale Interessenvertretung der jeweiligen Fachwissenschaft in Verbindung mit den Digital Humanities als Schwerpunkt der Tätigkeiten. Daneben ist man bemüht, Projektvorhaben bzw. Projekte, die dem eigenen thematischen Rahmen entspringen, zu koordinieren und zu unterstützen. Als Beispiel für eine infrastrukturelle Gründung ist hier das Forschungszentrum Archäologie und Altertumswissenschaften IANUS zu nennen.

Drittens gibt es verschiedene Initiativen in einzelnen Bundesländern bzw. in länderübergreifenden Regionen, die ebenfalls eine Vernetzung der dort laufenden oder im Entstehen begriffenen Projekte und Initiativen zum Ziel haben. Als Beispiel kann hier der an der Universität Leipzig gegründete Lehrpraxis im Transfer-Facharbeitsarbeitskreis „Digital Humanities in Sachsen“ gelten, der sich aber nicht auf Sachsen beschränkt, sondern auch eine Vernetzung mit den Hochschulen in Sachsen-Anhalt und Thüringen anstrebt, außerdem die Vernetzungsplattform Digital Humanities Forschungsverbund Niedersachsen (DHVF) und Digital Humanities Berlin. Auch in Thüringen befindet sich eine derartige Struktur im Aufbau. So gab es bereits ein erstes DH-Treffen in Erfurt, auf dem sich Wissenschaftler_innen verschiedenster Forschungseinrichtungen in Bezug auf die Zukunft der Digital Humanities und mögliche Kooperationen in Thüringen austauschten. In derartigen Projekten wird den regionalen Gegebenheiten, die sich unter anderem aus dem Föderalismus der deutschen Hochschullandschaft ergeben, in der eigenen Arbeit Rechnung getragen. Auf dieser Ebene erfolgen Vernetzungsgespräche und werden Initiativen erarbeitet, in deren Fokus die eigenen Voraussetzungen und Ziele stehen. Auch der nationale Wettbewerb im Vergleich mit anderen Bundesländern und Regionen spielt dabei eine Rolle. So werden zum Beispiel gemeinsame Antragsvorhaben initiiert, gemeinsame Projekte besprochen oder Fördervorschläge in die Politik getragen. Darüber hinaus werden aber ebenso die generellen Fragestellungen der Digital Humanities besprochen, die auch auf der Agenda der bundesweiten Initiativen zu finden sind.

Vernetzungsbewegungen an den einzelnen Hochschulen bzw. im Verbund mit den benachbarten Hochschulen bilden eine vierte Ebene. Hier stehen besonders die Interessen der einzelnen Institute und Einrichtungen im Verbund mit der Entwicklung der jeweilige(n) Hochschule(n) im Fokus der Arbeit. Dabei sollen die verschiedenen Projektideen, Projekte und Initiativen gebündelt, Absprachen getroffen und Synergieeffekte in den eigenen Bemühungen erreicht werden. Beispielgebend hierfür sei das DHnet Jena genannt, welches sich als Ansprechpartner für Fragen der Digital Humanities an der FSU Jena versteht und als interdisziplinäres Forschungsnetzwerk laufenden oder geplanten DH-Projekten ein Forum bietet. Ein Ziel dieser Vernetzung ist der Aufbau eines DH-Kompetenzzentrums, welches sich dem interdisziplinären und institutionenübergreifenden Methodentransfer verschreibt und zugleich eine Agenda liefert, um Fragen der technischen Ausrüstung und methodischen Umsetzung problemorientiert, nachhaltig und innovativ zu beantworten. Ähnlich stellen sich auch das Netzwerk für Digitale Geisteswissenschaften an der Universität Erfurt und andere, hier nicht aufgeführte, aber ebenso wertvolle Initiativen dar.

Die verschiedenen Ebenen der Vernetzung innerhalb der Digital Humanities bieten damit zahlreiche Möglichkeiten der Kommunikation zwischen den Interessierten. Dies ist sicherlich gewinnbringend für alle Bemühungen um die Digital Humanities, zu hinterfragen ist der über den allgemeinen Austausch hinaus gehende Mehrwert. Im Panel soll daher diskutiert werden, wie die verschiedenen Vernetzungsebenen einzuschätzen sind, ob die dargestellte Struktur, wie sie zur Zeit existiert – also mit zahlreichen Überschneidungen der Vernetzungen, institutioneller, aber auch personeller Natur –, sinnvoll und gewinnbringend für alle Beteiligten ist, wie die Aufgaben der jeweiligen Strukturen angesehen werden und ob es Handlungsbedarf für Veränderungen im Bereich Vernetzung der Digital Humanities im deutschsprachigen Raum gibt.

Im Panel sollen Vertreter_innen aller vier aufgeführten Vernetzungsebenen in einem kurzen einleitenden Beitrag ihre jeweiligen Tätigkeitsfelder vorstellen. Dabei sollen die eigenen Aufgaben und der eigene Anspruch an die Vernetzung als Schwerpunkte der Kurzpräsentationen dargelegt werden. Dafür sind 40 Minuten vorgesehen. Damit stehen jedem/r Vortragenden etwa fünf Minuten Zeit für die Präsentation zur Verfügung.

Im Anschluss findet eine Diskussion unter den Vortragenden statt, für die 20 Minuten veranschlagt werden. Dabei soll auf die sechs folgenden Leitfragen eingegangen werden:

Zum Abschluss des Panels soll die Diskussion dieser Fragen ins Publikum getragen werden. Dabei ist auch möglich und gewünscht, dass die Zuhörer_innen weitere Themenfelder eröffnen. Für diese Diskussionsrunde sind 30 Minuten vorgesehen.

Die Panelleitung und Diskussionsmoderation übernimmt Dr. Andreas Christoph (Universität Jena – Ernst-Hackel-Haus). Als Diskutant_innen sind vorgesehen:

Vertreter_in DHd (seitens des Verbandes wird in Kürze eine Person benannt)

Prof. Dr. Heike Neuroth (Fachhochschule Potsdam – Bibliothekswissenschaften) (Bereitschaft zur Teilnahme per E-Mail zugesagt)

Prof. Dr. Cathleen Kantner (Universität Stuttgart – Sozialwissenschaften, Internationale Beziehungen und Europäische Integration; Stellvertretende Sprecherin der fachspezifischen Arbeitsgruppen bei CLARIN-D) (Bereitschaft zur Teilnahme per E-Mail zugesagt)

Dr. Leif Scheuermann (Universität Graz – Alte Geschichte und Altertumskunde; Universität Erfurt – Max-Weber-Kolleg, Interdisciplinary Center of E-Humanities in History and Social Sciences (ICE)) (Bereitschaft zur Teilnahme per E-Mail zugesagt)

Patrick Pfeil, M.A. (Universität Leipzig – Alte Geschichte; Koordinator des LiT-Facharbeitskreises „Digital Humanities in Sachsen“) (als Antragsteller zugesagt)

Dr. Barbara Aehnlich (Universität Jena – Geschichte der deutschen Sprache; Koordinatorin des DHnet Jena) (als Antragstellerin zugesagt)

Angesichts der wachsenden Bedeutung der Digital Humanities auf wissenschaftlicher, gesellschaftlicher und institutioneller Ebene entstanden in kürzester Zeit verschiedene Vernetzungsebenen, die laufenden oder geplanten Projekten ein Forum bieten, interdisziplinären Austausch und methodische Orientierung ermöglichen und damit als Ansprechpartner für entsprechende Fragestellungen dienen können. An vielen Stellen gibt es strukturelle und personelle Überschneidungen zwischen den Initiativen, die womöglich Vorteile mit sich bringen, aber auch das Risiko in sich bergen, sich „im Kreis zu drehen“ – fachspezifisch, methodisch, konzeptuell, institutionell und strukturell. Die Diskussion wird einen Einblick in diverse Vernetzungsprojekte bieten, den Mehrwert dieser Initiativen aber auch kritisch hinterfragen. Die große Frage hinter dem Panel wird sein: „Wie sinnvoll sind die Vernetzungen in ihren verschiedenen Ausprägungen in der praktischen Arbeit tatsächlich?“