Wie müssen virtuelle, integrative und interaktive Forschungs-, Kommunikations- und Präsentationsumgebungen aussehen, damit sie der Umsetzung des fächerübergreifenden Forschungsparadigmas nützen, die Schaffung und Darstellung von Wissen ermöglichen und eine aktive Beteiligung der Öffentlichkeit an diesen Prozessen erlauben, lautet eine der zentralen Fragen nicht nur der DHd 2016, sondern generell der Digital Humanities (DH). Zu selten wird dabei bedacht, dass Visualisierung mehr ist als nur die reine grafische Darstellung und Gestaltung geisteswissenschaftlicher Inhalte. Die Rolle, die das Design eines User Interface (UI) spielt, ist in den DH noch zu wenig im Forschungsfokus. Die Entscheidung, welches Design und welche UI-Komponenten letztlich gewählt und umgesetzt werden, ist leider selten so wissenschaftlich fundiert wie der Inhalt, sondern stattdessen oft das Ergebnis eines Kompromisses der beteiligten Personen und deren persönlichem Geschmack, deren Vorlieben und Gewohnheiten. Daraus resultierende Mängel und Probleme reichen von Unsicherheit und Bedienungsproblemen bis zu Abneigung gegenüber dem Design und damit dem Projekt, und zeigen sich wenn überhaupt erst später bei der Nutzung der Benutzeroberfläche. Ein Grund für diese mangelnde wissenschaftliche Fokussierung liegt sicherlich häufig in der finanziellen Unterausstattung dieses Bereichs in DH-Projekten, stehen doch den digitalen Geisteswissenschaften nicht die Gelder1 für Design, geschweige denn für die Erforschung der „visuellen Kommunikation“ zur Verfügung, wie sie etwa im (Neuro-)Marketing für Usability-Tests, Eye-Tracking- oder bildgebende Verfahren vorhanden sind. Und doch könnte mehr Wissen über Design- und Usability-Fragen auch hier gebraucht werden.2
Mehr noch als die funktionellen Gesichtspunkte von (UI-)Design sind es die emotionalen Aspekte von Design, die bislang nicht nur in der DH-Forschung noch unterrepräsentiert sind. Es gibt noch immer wenig Wissen darüber, wie im Gehirn Gefühle vernetzt sind und wirken, und über das Zusammenspiel von Emotionen und Gedanken können Jahrtausende alte Philosophien und Weisheiten oft mehr sagen als die Forschung auf dem Gebiet der Neurobiologie3. Dennoch ist ziemlich offensichtlich, dass es ein Zusammenspiel gibt4, und dass diesbezüglich das Verhältnis von Emotionen und wissenschaftlichem Design einer näheren Betrachtung unterzogen werden muss. Grafikdesign wirkt immer auch unterhalb der Oberfläche von Sachlichkeit, Rationalität und Kontrolle. Designelemente wie Bilder (z. B. weinendes Kind, Bergpanorama), Typographie (z. B. Romantik, Bauhausstil) und Farben (z. B. schwarz/rot/weiß der NS-Zeit) können je nach „Zielgruppe“ (Targeting) mehr oder weniger starke Emotionen wie z. B. Mitleid, Glück, Sicherheit, Freude, Freiheit, Stolz, Unmut, Scham, ja sogar Wut hervorrufen.
Dies scheint konträr zum Rationalitäts- und Objektivitätsanspruch der Wissenschaft zu sein. Vermeintlich wissenschaftlich neutral gestaltete Designs nutzen Schriftarten und Farben, die in anderen Zielgruppen eventuell sogar Irritationen hervorrufen können. Je nach Mode und Zeit variieren diese Designelemente zwar, aber im Allgemeinen strahlt das typisch sachliche, wissenschaftliche Design eine gewisse Kühle und Geschmeidigkeit aus. Eine emotionale Wirkung ist also auch hier vorhanden.
Zentrale Fragen, die sich gerade die DH mit ihren noch nicht ausgeschöpften gestalterischen Möglichkeiten stellen müssen, sind daher: Inwieweit darf wissenschaftliches Design ästhetisch sein und gezielt emotional ansprechen? Wie korreliert es mit der vermeintlichen wissenschaftlichen Objektivität? Kann und wenn ja wie kann emotionale Wirkung beobachtet werden? Kann / darf sie gelenkt werden? Welche Kriterien sind wesentlich für Designentscheidungen in den DH? Auf einer Metaebene sollte dabei auch exploriert und reflektiert werden, wie bewusst sich DH-Projekte für oder gegen ein Design- und UI-Konzept entscheiden.
Diesen Fragen möchte sich die Posterpräsentation auch auf der Ebene des Visuellen und des Designs stellen und anhand des Heinrich Heine-Portals exemplifizieren. Für die am Trier Center for Digital Humanities aufgebaute und zwischenzeitlich „in die Jahre gekommene“ digitale Edition werden ein neues Designkonzept und Visualisierungskomponenten entworfen und realisiert, anhand deren Aspekte der emotionalen Ansprache von Präsentationen sowie Fragen, die sich daraus für den ästhetischen Anteil wissenschaftlicher Darstellungsformen diskutiert werden sollen.