Entwicklung einer digitalen Brief-Edition und eines Forschungsportals zu Theodor Fontane

Seifert, Sabine
Theodor-Fontane-Archiv, Universität Potsdam, Deutschland
sabine.seifert@uni-potsdam.de

Inhalt

1. Die digitale Edition

Das Theodor-Fontane-Archiv konzipiert eine digitale, kritische Edition aller Briefe von und an Theodor Fontane. Hierbei handelt es sich um etwa 10.000 Briefe, die bislang unvollständig und nach heutigen editionswissenschaftlichen Standards unzureichend veröffentlicht sind. Ein Großteil des Briefnachlasses befindet sich im Archiv, doch sind weitere Bestände aus anderen Institutionen und Privatbesitz zu berücksichtigen. Somit wird der gesamte, stark verstreute Briefnachlass virtuell zusammengeführt und erstmalig als ein Korpus recherchierbar, wodurch die Voraussetzung für die systematische Erforschung dieses zentralen Werkbestandes geschaffen wird.

Verschiedene editorische Herausforderungen stellen sich bezüglich der Briefe. Neben den Originalhandschriften sind mitunter mehrfache Abschriften sowie bisherige Drucke einzubeziehen. Somit werden mehrere Überlieferungsträger eines Briefes verzeichnet und in der Edition präsentiert, wodurch sich die Frage einer sinnvollen Darstellung von Überlieferungsvarianten stellt. Daneben muss eine Lösung für die digitale Umsetzung materialspezifischer Besonderheiten gefunden werden, z. B. die häufig beschriebenen Briefränder. Diese Textbestandteile sind oft seitenübergreifend und stehen in den unterschiedlichsten Winkeln zur regulären Beschreibrichtung. In der Online-Präsentation werden neben den Digitalisaten und Transkriptionen die Metadaten, die Kommentierung sowie die XML / TEI P5-Auszeichnung verfügbar gemacht. Für die individuelle Benutzbarkeit soll die Anzeige der genannten Daten flexibel anzupassen sein. Aufgrund der besonderen Schriftbildlichkeit müssen die Digitalisate drehbar und im Falle von mehreren Textzeugen soll deren parallele Anzeige möglich sein. Auf die Verwendung von Standards (z. B. XML / TEI P5) und Normdaten (z. B. GND für Personen) und die Erstellung von projektinternen Indizes (zu Personen, Institutionen, Orten, Werken, Periodika) wird besonderer Wert gelegt. So können etwa personelle und institutionelle Netzwerke, an denen Fontane teilhatte, rekonstruiert und intertextuelle Verbindungen nachvollzogen werden.

2. Das Fontane-Forschungsportal

Die Edition der Briefe steht im Zusammenhang mit dem ebenfalls in der konzeptionellen Entwicklung befindlichen Fontane-Forschungsportal. Dessen Ziel ist die Präsentation der Digitalen Sammlungen des Archivs und optional anderer Bestandshalter. Die aufbewahrten Handschriften liegen digitalisiert vor, die Verknüpfung der Digitalisate mit dem technischen und bibliographischen Metadatensatz wird über den METS / MODS- bzw. METS / EAD-Standard erfolgen. Die Handschriften- und Bibliothekskataloge des Archivs, bisher intern als allegro-C- und allegro-HANS-Datenbanken geführt, werden ebenfalls über das Portal als OPACs zugänglich gemacht. Somit stellt das Portal die Verknüpfung von archivalischen Quellen- und Erschließungsdaten und von Forschungsprimärdaten her.

Neben der virtuellen Zusammenführung des zerstreuten Nachlasses ist das zweite Ziel des Portals, alle Forschungsressourcen zu Fontane schnell zugänglich bereitzustellen. Die Fontane-Aktivitäten außerhalb des Archivs sollen hier gebündelt werden und das Portal als Kommunikationsplattform für die verschiedenen Akteure dienen. Dafür werden technische Schnittstellen für Datenaustausch sowie Kooperationen mit anderen Projekten geschaffen. Doch richtet sich das Portal nicht nur an die Wissenschaft, sondern auch an die breite Öffentlichkeit, der hier ein umfassender Zugang zu Fontane, seinem Leben und Werk ermöglicht werden soll.

3. FuD und CMS

Die technische Umsetzung der digitalen Edition und des Forschungsportals wird im Rahmen der virtuellen Forschungsumgebung FuD („Forschungsnetzwerk und Datenbanksystem“) erfolgen, die am Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier entwickelt wurde. Die in FuD bereitgestellten Tools werden an die projektspezifischen Bedürfnisse angepasst und weiterentwickelt, etwa für die Verzeichnung unterschiedlicher Textzeugen. Diese Weiterentwicklungen sollen von anderen Institutionen nachgenutzt werden können.

Im Hintergrund stehen eine Neustrukturierung der gesamten Datenstruktur des Theodor-Fontane-Archivs und die Überführung in ein Content Management System, das ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Trier erarbeitet wird. Die Datenmodellierung des CMS, auf das Edition und Portal gleichermaßen zugreifen, muss gewährleisten, dass unterschiedliche Arten von Daten in FuD zusammengeführt, angereichert und weiterverarbeitet werden können. Hierzu gehören bibliographische Metadaten von Handschriften und Bibliotheksbeständen des Archivs, bibliographische Metadaten anderer Institutionen, Digitalisate plus deren Metadaten, Normdaten, die Transkriptionen der Edition, die TEI-Textauszeichnung, editorischen Kommentare und die erstellten Indizes. Auch werden Schnittstellen zu anderen Projekten und zu Archivdatenbanken hergestellt und der Zugang per Open Access gewährleistet.

4. Edition und Portal als Forschungsumgebung

Die digitale Edition und das Forschungsportal werden auf Grundlage der gemeinsamen Datenbasis so konzipiert und miteinander verbunden, dass zwischen ihnen Datenaustausch möglich wird. So wird der jeweilige Rechercherahmen erweitert, eine umfassendere Kontextualisierung der Informationen erreicht und eine digitale Arbeits- und Forschungsumgebung geschaffen, die den Erfordernissen eines Archivs in seinen Aufgaben des Sammelns, Erschließens und Langzeitarchivierens sowie den Erfordernissen einer Forschungseinrichtung gleichermaßen gerecht wird. Dies und die Vernetzung mit verschiedenen Forschungsvorhaben ermöglicht nicht nur neue Erkenntnisse für die Fontane-Forschung selbst, sondern auch zur Literatur- und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Für weitere, interdisziplinäre und neue Fragestellungen wird die Struktur offen und flexibel angelegt. Zudem soll die entwickelte Arbeitsumgebung in ihrer Datenstruktur auch Modellcharakter für kleinere Archive, Museen und Sammlungen haben.

Im Poster werden der derzeitige Konzeptionsstand von Edition und Portal vorgestellt, Probleme und offene Fragen aufgezeigt sowie Lösungsansätze zur Diskussion gestellt.